Wer Saigon gesehen hat, der weiß, was der Begriff "asiatische Großstadt"
bedeutet.
Auf nicht selten 8-spurigen Straßen herrscht ein unglaubliches Gewirr von Mopeds, Taxis,
Bussen und Cyclos, wie man die Rikschas hier nennt. 4 Millionen Menschen - so schätzt man
- suchen hier ihr Glück. Wieviele es genau sind, weiß keiner. Das ununterbrochene Hupen
sämtlicher Verkehrsteilnehmer prägt den Sound dieser Stadt, die kein Ort zum
In-Sich-Gehen oder gar Relaxen ist. "Als ich angekommen war, war ich völlig
geschockt von diesem Moloch", erzählte uns eine Rucksackreisende aus Frankfurt, die
in den ersten beiden Tagen ihr Hotel nur zum Essen verlassen hat. Und so wie ihr geht es -
auch wenn es die wenigsten eingestehen - sicher vielen. Hat man sich aber erst gewöhnt an
die Lautstärke, die Hitze und die wahnsinnig vielen Menschen auf engem Raum, dann gibt es
in Saigon jede Menge Interessantes und Aufregendes zu erleben.
Cholon heißt das alte Chinesen-Viertel Saigons. Hier gibt es noch keine Hochhäuser.
Vor dreihundert Jahren ließen sich in Cholon Flüchtlinge aus China nieder und gaben dem
Viertel den Namen, der bis heute Programm ist: Cho (Markt) Lon (groß). In einem Gewirr
von Cyclos gibt es so ziemlich alles zu kaufen, was man sich nicht vorstellen kann.
Räucherstäbchen, Gewürze, alle erdenklichen Früchte,
Plastikschüsseln, Jade-Schmuck und Wackel-Dackel. In diesem Teil von Saigon befinden sich
die schönsten und bedeutendsten Pagoden.
Wer mit Schale und Eßstäbchen umzugehen weiß, versteht auch mit Worten umzugehen,
sagt ein vietnamesisches Sprichwort. Und so praktizieren die Vietnamesen den Umgang mit
dem landesüblichen Besteck und Geschirr so häufig wie möglich. Mobile Garküchen reihen
sich auf den Bürgersteigen von Saigon aneinander. Selten sind die Imbisse so verwaist wie
auf dem obigen Bild. Ab den frühen Mittagsstunden köcheln in riesigen Töpfen Suppen,
die nach Nelken und Anis duften. Auf Holzkohlegrills brutzeln appetitanregende
Fleischspieße, in zischendem Fett schwimmen goldbraune Frühlingsrollen. Einfache
Pappschilder markieren, welche Köstlichkeiten hier zu erwerben sind. "Com" ist
da zum Beispiel zu lesen, was soviel heißt wie Reis oder "Pho", also Suppe. Die
Essensstände sind umringt von winzigen Klapptischen und noch winzigeren Plastikhockern,
die der Szenerie etwas von einer Puppenstube verleihen.
Wem weniger nach authentischem Essen und mehr nach Banana Pancake oder Spaghetti
Bolonaise ist, der sollte sich auf die Pham Ngu Lao begeben. Auf der einstigen
Bahnhofsstraße haben sich in den letzten Jahren die Rucksackreisenden niedergelassen.
Dutzende von Mini-Hotels, Reisebüros, Souvenir-Shops, Billigschneidern, Fotogeschäften
und Restaurants sorgen für das Wohlergehen von Travellern aus allen erdenklichen
Ländern. Seit Vietnam 1990 für Touristen geöffnet wurde, hat sich viel verändert. Doi
Moi, was soviel bedeutet wie "neues Denken und Handeln", hat sich die
kommunistische Partei auf die Fahne geschrieben und meint damit eine Kombination aus
sozialistischen Modellen und freier Marktwirtschaft. Reich werden unter der roten Fahne
mit gelbem Stern.
NÜCHTERNSaigon heißt offziell gar nicht Saigon, sondern seit der kommunistischen
Machtübernahme im Jahre 1975 Ho Chi Minh Stadt, benannt nach dem Mann, der 1930 in
Hongkong die Kommunistische Partei Vietnams gründete. Ho Chi Minh bedeutet übersetzt
"Ho mit dem klaren Willen". Dennoch hat sich der neue Name nie richtig
durchsetzen können, wohl weil er so nüchtern und rational anmutet. Saigon hingegen
klingt nach "Perle des Orients". FREMDBESTIMMTDie Dong Khoi ist die Pracht- und Haupteinkaufsstraße der Metropole. Hier ist das Straßenbild geprägt durch Boutiquen, schicke Hotels und noch schickere Cafés. Die zahlreichen Kolonialgebäude sind stumme Zeugen der Stadtgeschichte. Mehr als hundert Jahre wurden die Geschicke Saigons von fremden Mächten gelenkt, in den Jahren 1859-1954 von den Franzosen, anschließend dann von den Amerikanern. |
Das Museum der Kriegsverbrechen erlaubt einen Blick auf die blutige Vergangenheit von
Vietnam. Es liegt im Zentrum von Saigon, ganz in der Nähe der Konsummeile Dong Khoi. Im
Innenhof ist eine Ansammlung von erbeuteten Panzern, Hubschraubern und Flak-Geschützen
ausgestellt. Touristen aus Japan, Amerika und Europa posieren für die Kamera neben den
Kriegsgeräten. Der angeschlossene "War Museum Shop" bietet den üblichen
Souvenir-Kitsch sowie gekühlte Pepsi in Dosen und kleine Snacks. Im Inneren der
Ausstellung vergeht einem dann jeglicher Appetit. Fotos von Folterungen und Massakern der
amerikanischen Armee, Bilder von Leichenhaufen und blutüberströmten Kindern neben einem
Glas mit konservierten mehrköpfigen Föten, mißgebildet durch "Agent Orange".
Nur einige Straßen vom Museum der Kriegsverbrechen entfernt befindet ein weiteres
Indiz des Krieges. Die ehemalige US-Botschaft steht längst leer, ist aber immer noch von
hohen Mauern mit Stacheldraht umgeben. Das fensterlose Gebäude wirkt angsteinflößend
und beschwört die dramatischen Fernsehbilder von der Flucht der Amerikaner aus Saigon
herauf. "Wenn es still ist, hört man noch die Hubschrauber kreisen",
kommentiert ein sensibler Tourist aus Deutschland.
Saigon |